Wie erlebt man Mobilität an Bord eines Autos? Welche Emotionen empfinden wir ? Werden wir in Zukunft das Gleiche empfinden und erleben wie haute? Was bringen künstliche Intelligenz und Vernetzung? Wie könnten unsere Reisen im Jahr 2100… oder 2200 aussehen? Diese spannenden Fragen waren Leitmotive einer hochkarätigen Diskussion anlässlich der IAA in München, mit Rednern erster Wahl: Luc Julia, Chief Scientific Officer von Renault Group, Carlo Ratti, Leiter des Senseable City Lab am Bostoner MIT, und Armin Prommersberger, Senior Vice President Product Management bei Harman Automotive. Heute ist schon morgen, und alles darüber erfahren Sie hier!
„Das Auto soll eine Fortsetzung Ihres Lebens sein“
Unsere Autos sind immer besser ausgestattet, mit Multimedia-Monitor, Apps, eingebauten Chips, vernetzten Diensten, Smartphone-Integration, 3D-Cockpit usw. Wie interagieren zum einen der Fahrer, aber auch die Passagiere mit diesen Elementen? Laut Luc Julia erlebt man eine komplexe Gesamterfahrung, innerhalb und außerhalb des Fahrzeug.
Wenn unsere Autos heute schon Teil unserer Lebenserfahrungen sind, dann ist dies ihrer Konnektivität und den von ihnen generierten, immer stärker personalisierten Interaktionen zu verdanken. Dazu Carlo Ratti: „Diese Interaktionen finden auf mehreren Ebenen statt, man kann mittlerweile nicht nur innerhalb des Fahrzeugs interagieren, sondern auch mit der Außenwelt.“ Genau wie ein Smartphone muss das Auto funktionsgerechte und wirksame Tools bieten. Jederzeit bei Bedarf alles das tun zu können, was wir tun wollen – darum geht es im Grunde. Das Auto reagiert auf unsere Vorlieben und Besonderheiten, es erfasst Informationen, um ein noch besserer Begleiter für uns zu sein: über unsere Fahrweise, unsere üblichen Wege, unseren musikalischen Geschmack, unser bevorzugtes Ambiente an Bord usw. Und mehr und mehr holt es auch Informationen über das externe Umfeld ein, um Interaktionen zu generieren: „Sie wissen, ob ein anderes Auto in der Nähe ist, es gibt Kameras, die das Geschehen in der Umgebung beobachten. So kann das Auto noch viel interaktiver sein als ein simples Smartphone, einfach deshalb, weil sehr viel mehr Daten verarbeitet werden.“
„Klang lässt Emotionen entstehen, wie die Musik“
Sound, Touchscreen, Sprachassistent, Assistenzsysteme – ein ganzes Universum vernetzter Komponenten trägt zum Borderlebnis in unseren Fahrzeugen bei.
Wir machen unsere Ohren ganz weit auf und hören Armin Prommersberger aufmerksam zu: „Wir sind emotionale Wesen und lieben Emotionen. Das Soundsystem ist wirklich eine Schnittstelle zwischen dem Künstler und Ihnen als Zuhörer. Aber das Soundsystem kann noch mehr – wenn zum Beispiel Anrufe ankommen, die positive oder negative Emotionen bewirken können. Das Soundsystem kann dabei helfen, ihren Komfort und ihr Wohlbefinden zu steigern. Es kann störende Töne entfernen. Aber der aufregendste und faszinierendste Teil sind die Sicherheitsaspekte. Wir reden heute von Musik und von Telefonanrufen, aber wir reden natürlich auch vom autonomen Fahren. Dafür gibt es Sensoren, die es ermöglichen, lebenswichtige Entscheidungen zu treffen… Sie können entscheiden, wo Sie einen Warnton platzieren. Wenn sich von der rechten Seite ein Fußgänger nähert, können Sie rechts einen Warnton platzieren. Das menschliche Gehirn verarbeitet Tonsignale sehr viel schneller als visuelle Signale.“
Auch Luc Julia misst der auditiven Wahrnehmung große Bedeutung bei: „Töne werden vom menschlichen Gehirn sehr gut verarbeitet. Wenn beispielsweise im Fahrzeug ein Problem auftritt, wird ein akustisches Signal oder eine Sprachmeldung deutlich leichter verarbeitet als eine auf dem Bildschirm angezeigte visuelle Nachricht. Töne wirken schneller und sind viel nützlicher für die Interaktion. Das wird in den Autos künftig eine immer größere Rolle spielen.“
Mobilität heute und morgen
In dieser Ära der Daten, des Edge Computing, des automatischen Lernens und der emotionalen Intelligenz ist die Mobilität ein zentrales Thema. Wie stellen wir uns die Zukunft der Mobilität vor? Kann man Mobilität nachhaltig konzipieren? Wie beeinflussen all diese Technologien die Mobilität von morgen?
Luc Julia, weltweit anerkannter Experte für künstliche Intelligenz, sagt hierzu folgendes: : „Es entwickelt sich alles sehr schnell. Die künstliche Intelligenz hat eine eine Aura, ein Image, das nicht der Realität entspricht. Man sollte sich auf Dinge fokussieren, die für Auto fahrende Menschen wirklich nützlich sein werden, und das gilt in erster Linie zunächst für die Sicherheit. Das Auto wird zur Quelle vielfältiger Interaktionen mit dem Umfeld und mit Ihnen. Die KI-Sensoren im Auto werden, abhängig davon, wo Sie sich befinden und was Sie tun, die Fusion zwischen all diesen Elementen innerhalb und außerhalb des Fahrzeugs fördern. So wird es gelingen, das richtige Gleichgewicht in der Interaktion zwischen Ihnen und dem Fahrzeug herzustellen. Künstliche Intelligenz kann unsere Onboard- wie auch unsere Offboard-Erfahrung beeinflussen und verändern.“
Beim Thema „Mobilität von morgen“ spricht man selbstverständlich von Bewegungsfreiheit, aber auch von der ganzen Umgebung, die dazu beiträgt, bestmögliche Mobilitätslösungen bereitzustellen und gleichzeitig unseren Planeten zu erhalten. Dazu gehören auch intelligente Städte. Die „Mobilität von morgen“ ist eine Vielzahl von Mobilitätslösungen, die über Daten miteinander interagieren.
Für Luc Julia „besteht die Herausforderung darin, den Antriebsmodus zu finden, der am umweltfreundlichsten ist. Das Elektrofahrzeug scheint eine gute Lösung zu sein. Das E-Auto muss intelligent sein, um den idealen Weg von A nach B mit geeigneten Haltepunkten zum Laden der Batterie zu finden. Die Stadt von morgen integriert den multimodalen Verkehr, d.h. die Kombination der Fortbewegungsmöglichkeiten in der Stadt; man dürfte dort eine breitere Palette von Lösungen finden, mit bedarfsorientierten Mikromobilitätslösungen. Es wird CO2-freie Städte geben können. Carsharing wird bei der urbanen Mobilität eine zentrale Rolle spielen.“
Ein Sprung in die Zukunft mit autonomen Fahrzeugen
Autonomes Fahren, vernetzte Fahrzeuge… Wir stellen uns alle ein und dieselbe Frage: Wie könnte das Auto der Zukunft wohl aussehen? Unser Experte Luc Julia erläutert das so: „Beim autonomen Fahren unterscheidet man fünf Levels. Level 5 ist die höchste Autonomiestufe, wo gar kein Fahrer mehr notwendig ist. Sie können im Auto Karten spielen, während das Auto Sie völlig selbständig von A nach B befördert. Das ist natürlich toll! Wegen der Abhängigkeit von der Komplexität des Umfelds und der Geschwindigkeit ist dieses Level allerdings schwer zu erreichen. Level 4 ist davon aber nicht weit
entfernt. Auf dieser Stufe ist das Fahrzeug weitestgehend autonom. In gewissen Fällen können Sie also tatsächlich Karten spielen, manchmal kann aber doch ein menschlicher Eingriff erforderlich werden. In den kommen Jahren werden wir Level 3 und 4 erreichen, was in puncto Sicherheit bemerkenswert wäre. Mit den in die Fahrzeuge integrierten KI-Systemen lassen sich heute viele Unfälle vermeiden, da diese Système in vielen Situationen besser in der Lage sind zu reagieren als der Mensch.“
Für die drei Podiumsredner ist eines sicher: Das Auto von morgen wird eine völlig andere Erfahrung bieten. „Alles wird reibungslos sein, transparent, im voraus bezahlt. Man kann sich, wie und wann man möchte, von einem Ort zum anderen bewegen. Es wird bessere Schnittstellen für den Fahrer geben, aber auch für die Passagiere. Beim Blick aus dem Fenster werden wir die Welt ganz anders erleben. Es ist wirklich fantastisch, was uns erwartet“, lautet ihre gemeinsame Überzeugung.